Ausreise nach Österreich
Inzwischen stolzer Grundstücksbesitzer und nicht unvermögender Fotograf, ging ich nun wie der berühmte Esel, dem es zu gut geht, auf's Eis... Ich hatte es satt, als Mensch 3. Klasse behandelt zu werden, wenn ich in Moskau oder Prag im Hotel war und keine Valuta besaß oder keinen Westpass vorzeigen konnte. Mir half alles DDR-Geld nicht, ein Glas Sekt in einer Valuta-Bar zu erhaschen. Da erinnerte ich mich meines unehelichen Vaters österreichischer Nationalität und schlich zur Österreichischen Botschaft in Ost-Berlin, wo ich (klugerweise) einen "Antrag auf Überprüfung meiner Staatsbürgerschaft" stellte. Es war die wohl klügste Entscheidung meines Lebens. Hätte ich den Antrag auf die andere Staatsbürgerschaft gestellt, hätte ich die deutsche verloren...
1979 holte ich - genau so heimlich (nach 3 Jahren Wartezeit und vielen Gebühren) - meinen österreichischen Pass ab. Ich probierte ihn umgehend aus. Im Intershop am Alex stellte ich mich nicht in die Reihe der DDR-Bürger, die gegen Vorab-Kasse Forum-Schecks in Händen hielten, sondern ging nach vorn, zeigte den Pass - und wurde gentlemanlike bedient...

Nun bekamen auch lokalen Behörden Wind von der Sache, und es kam zu ersten Komplikationen. Bei TAKRAF wurde mir der Presseausweis für den Betrieb abgenommen, abends "klickte" es sanft im Telefon und ich konnte bei 2/3 Lautstärke den Stasi-Mann am 3. Ende der Leitung fast körperlich spüren. Beruflich ging nichts mehr, und so sah ich mich gezwungen, einen Ausreiseantrag nach Österreich zu stellen, nachdem mir trotz Pass Fahrten ins westliche Ausland verwehrt wurden. Begründung: "Bei Ihrer Tüchtigkeit sind Sie in einem halben Jahr wieder hier und fahren einen teuren Westwagen... Wie sollen wir das unseren Bürgern erklären, wo doch die Hälfte im Westen arbeitslos ist??? Sie können wählen: Verzicht auf Pass und Privilegien oder Ausreise für immer." Mit gemischten Gefühlen wohlweislich, dass ich 42 Jahre alt war, wählte ich Letzteres.
Bevor ich 'gen Österreich los fuhr, verabschiedete ich meine (vermeintlichen) Freunde. Der mich einst so innig begrüßende 1. Sekretär des Kulturbundes, Schubert, meinte: "Ja, Klaus, nun kannst Du am eigenen Leibe erfahren, was Kapitalismus heißt..., aber Du wolltest es ja nicht anders, obwohl Dir hier alle Wege offen standen, im übrigen möchte ich Dir das Du zurückgeben, Du wirst es sicher verstehen." Ich verstand!

Dann schaute ich noch kurz ins Alte Rathaus, wo gerade die neue Bezirksfotoschau gehangen wurde. "Wat willst'n Du noch hier?" fragte abweisend Gerhard Stegelin. Ich sah, dass meine Bilder "noch" hingen und stellte fest, dass ich erstmals nach 20 Jahren nicht mehr unter den Preisträgern war. Das konnte man wohl der Bevölkerung auch nicht vermitteln, dass ein "Abtrünniger" noch ausgezeichnet wurde... Jetzt verlor auch Potsdam seine "Weltoffenheit", und der Mief des realen Sozialismus veranlasste mich, dieses Haus, in dem ich so viel für die Öffentlichkeit und Gemeinschaft geleistet hatte (hier entwarf ich u. a. auch den "Goldener Atlas Potsdam"), eiligst zu verlassen.

Noch kurz: Ein Freund (von 30 Fotofreunden) schrieb mir auch all die Jahre nach Österreich, die anderen hatten die "Hosen voll".
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