Die traurige Entwicklung von "Akt & Landschaft"
Am 29. August 1981 verließ ich - meinen Lada 1500 vollgepackt bis an die Decke - über Hirschberg meine Heimat DDR. Das, wofür ich Bruno Kreisky mal verdammt hatte, war nun mein Vorteil. Er hatte als erster westlicher Staatsmann die DDR politisch anerkannt, und ich wurde nun Nutznießer, einer freundlich human gebilligten Ausreise, nicht etwa, wie nach Westdeutschland Ausgebürgerte, die mit zwei Handgepäckstücken und einer Identitätsbescheinigung rausge-schmissen wurden. - Nein, ich durfte mein Grundstück verkaufen und ein halbes Jahr die Ausreise vorbereiten.

Drei Tage vor Ausreise erhielt ich eine "Einladung" zu einem Gespräch in der Abt. Inneres, dessen Inhalt mir fast die "Schuhe auszog". Eine Polizistin (in Zivil), ein Stasi-Offizier und ein Beamter des Inneren fragten mich: "Möchten Sie Bürger der DDR bleiben?!?" Ich fragte fassungslos: "Warum dieses Angebot? Ich wollte nur reisen, das verwehrten Sie mir. Und nun - wo ich ausreise - stellen Sie mir solch eine Frage???" Antwort: "Sie haben uns doch nichts getan - oder?!?"

Ich bat um Bedenkzeit, um "meine Botschaft" nach den Tücken dieses Angebotes zu fragen. Nach Ansicht des Botschafters wollte die DDR nur die guten Beziehungen zu Österreich wahren, hätte der Welt wieder mal gezeigt, dass man aus der DDR durchaus ausreisen könne und außerdem wird jemand, der im guten ausreist (wegen seiner besuchsweisen Rückkehr), nie so schlecht im Ausland über die DDR reden, wie ein Rausgeworfener... Mir persönlich fiel dann nur noch der Satz des Stasi-Offiziers ein, der da sagte: "Seien Sie vorsichtig, Herr Ender, mit negativen Äußerungen, unser Arm reicht auch bis ins ferne Österreich..."

Während der langen Fahrt durch den Süden der DDR, Bayern und Baden-Württemberg dachte ich an Potsdam und ließ das letzte Gespräch mit dem Vorsitzenden der BKF (Gerhard Stegelin), der mich angstvoll fragte: "Klaus, was wird denn jetzt aus Deiner Ausstellung AKT & LANDSCHAFT... Sie ist doch Dein geistiges Kind, aber Du kannst sie uns doch nicht verbieten. Sie ist ein solcher Bestandteil der Stadt Potsdam und des Kulturbundes geworden, dass wir damit doch nicht aufhören können...." Ich antwortete: "Führt sie in meinem Namen weiter, aber mit all der Ethik und Ästhetik, die ich und Gerd verkörpert haben!" Er versicherte hoch und heilig, dass diese Ausstellung in meinem Sinn weitergeführt wird - und dankte mir erleichtert...
Sie hatten ja irgendwie recht! Mit einem Vorarlberger Kennzeichen ausgestattet, reiste ich in meine alte Heimat DDR ein...
1982 reiste ich (natürlich mit Westwagen) wieder ein, um u. a. die dritte Ausstellung von AKT & LANDSCHAFT zu sehen, die erstmals nach (7 Jahren Vorsitz) nicht mehr in meinen Händen lag. Der Eindruck war erschreckend, frustrierend und für mich nicht fassbar. Viele Aufnahmen waren von Laien - und mir völlig unbekannten Autoren, die überhaupt kein Gespür für Ästhetik und Anmut hatten. Ungeeignete Modelle in oft asozialem Milieu, rauchend, vulgär in ihrer Haltung - es stand konträr zu dem, was die DDR-Aktfotografie in der Vergangenheit so sympathisch gemacht hatte.

Ich schrieb ins Gästebuch, dass ich den Eindruck habe, im Vorraum einer Schwangeren-Beratung gelandet zu sein, wo man ungeschickt Nacktheit präsentierte.
Beim Herausgehen blieb ich nochmals vor dem Plakat stehen, als mich die ältere Dame ansprach, die seit Jahren den Einlass betreute. "Sind Sie nicht der junge Mann, der damals die erste Akt & Landschaft machte?" Ich bejahte. Sie berührte meinen Arm und sagte: "Ist es nicht schlimm, was aus Ihrer Ausstellung geworden ist? Ich schäme mich manchmal, hier zu sitzen und die Kommentare des Publikums zu hören." "Ja" sagte ich, "eine schlimme Entwicklung, - mit dieser Ausstellung habe ich nichts mehr zu tun..."
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